CIA-Folter: Skandal mit Ansage

Ecklogo VirenkriegSeit Jahren verfolge ich die Politik der USA in Sachen „war on terror“ und „clash of civilizations“. Meine Recherchen inspirierten mich zu „Virenkrieg“, einem brisanten Politthriller, in dem es unter anderem um biologische Waffen geht. In unregelmäßigen Abständen schreibe ich auf dem Ybersinn über die Entwicklungen in den USA. Heute ist es wieder so weit, denn in den USA beginnt die Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels ihrer neueren Geschichte. Zum Glück!

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CIA-Folter: Skandal mit Ansage

Es ist noch gar nicht lange her, dass „erweiterte Verhörmethoden“ für die USA zum Mittel der Wahl im „war on terror“ wurden. Mit Methoden wie simuliertem Ertränken („Waterboarding“), Schlafentzug (bis zu einer Woche) und Einsperren in sargähnlichen Kisten (um nur ein paar dieser Methoden zu nennen) sollten mutmaßliche Islamisten und Hintermänner von Al-Qaida gezwungen werden, Informationen über das Terror-Netzwerk und über etwaige Anschlagsziele zu liefern. Alle diese „erweiteren Verhörmethoden“ haben eines gemeinsam: Sie hinterlassen bei den Gefolterten keine physischen, also gerichtsfesten Spuren. Das Resultat ist dennoch dasselbe wie bei der Schmerzfolter: Praktisch null. Auf diese Weise lassen sich keine relevanten Informationen gewinnen. Das konnte man schon lange ahnen, aber jetzt hat die US-Öffentlichkeit es schwarz auf weiß — im „Feinstein-Report“, dem Bericht eines Untersuchungsausschusses des US-Senats, der von der demokratischen Senatorin Dianne Feinstein geleitet wurde.

Der Veröffentlichung des Reports ging ein monatelanges Tauziehen voraus, in dessen Verlauf die CIA (Central Intelligence Agency), der Auslandsgeheimdienst der USA, zugeben musste, den ermittelnden Ausschuss bespitzelt und seine Computer durchsucht zu haben. Allein dies ist schon ein Skandal und erschüttert das Vertrauen in den Geheimdienst bis in die Wurzeln, denn der CIA ist die Inlandsspionage per Gesetz untersagt. Skandalös ist auch, dass die Obama-Regierung in Person des Außenminister John Kerry bis zuletzt versuchte, die Veröffentlichung des Reports zu verhindern. Nun kam er doch heraus — in Gestalt einer Version von 500 Seiten Umfang und mit Billigung Barack Obamas. Weitere 5800 Seiten wurden geschwärzt. Es ist Dianne Feinstein (Bild rechts) zu verdanken, dass die Öffentlichkeit endlich informiert wurde. Damit kann die Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels der neueren US-Geschichte beginnen. Und die Suche nach Verantwortlichen.

Der Folterskandal von Abu Ghuraib

Eigentlich ist das alles gar nicht neu. Die Welt wusste seit Abu Ghuraib, dass sich die USA unmoralischer und illegaler Methoden bedienen. Schon im Jahr 2004 gelangten entsetzliche Folterbilder aus dem Gefängnis im Irak an die Öffentlichkeit, schon damals kam die Frage auf, was solche Methoden mit der Verteidigung von Demokratie, Freiheit und westlichen Werten oder mit Rechtsstaatlichkeit zu tun haben sollten. Und wie sollten die „erweiterten Verhörmethoden“ zur Verbreitung eben dieser Demokratie, dieser Freiheit und dieser westlichen Werte beitragen? Denn um dem Irak die Demokratie zu bringen, waren die USA ja in den Krieg gezogen. Vorgeblich. In Wirklichkeit zogen die USA in einen „war on terror“, der die Welt veränderte – und die USA selbst gleich mit.

Der Folterskandal von Abu Ghuraib hatte ein juristisches Nachspiel, das ebenfalls skandalös ist. Auffällig an dieser „Aufarbeitung“: Es wurden nur untere Militärränge und Hilfskräfte verurteilt. Die härteste Strafe — zehn Jahre, von denen er sechseinhalb absaß — bekam der als Rädelsführer bezeichnete Charles Graner (Bild  links, aufgenommen in Abu Ghuraib), ein früherer Reservist, Gefängniswärter und Mitglied einer Evangelikalengemeinde in Pennsylvania. Der höchstrangige Offizier, der in diesem Prozess angeklagt wurde, war Oberstleutnant Steven L. Jordan, gegen den aber alle Anklagepunkte fallengelassen wurden. Die Kommandantin von Abu Ghuraib, Brigadegeneral Janis Karpinski, wurde nie angeklagt, aber 2005 zum Oberst degradiert, angeblich weil sie in einem Supermarkt eine Flasche Parfüm gestohlen hatte. Sie selbst äußerte den Verdacht, dass sie nur deswegen nicht angeklagt worden sei, weil sie dann unter Eid hätte aussagen müssen. Und das hätten der damalige US-Verteidigungsminister Rumsfeld und US-Vizepräsident Cheney nicht gewollt.

Folter outsourced

Diese Leute waren meines Wissens keine CIA-Mitarbeiter. Ebensowenig wie die „Psychologen“, deren Firma dem Feinstein-Report zufolge von der CIA beauftragt wurde, etliche dieser brutalen Verhöre durchzuführen, die nun zusätzlich bekannt wurden. Diese „Psychologen“ — Decknamen „Swigert“ und „Dunbar“ — ersannen Foltermethoden, mit denen auch hartgesottene CIA-Mitarbeiter nicht in Zusammenhang gebracht werden wollten. Zum Beispiel wurden Gefangene mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert. Es ist geradezu zynisch: Wie auch sonst überall in unserer neoliberalen Zeit wird die Drecksarbeit an Subunternehmen ausgelagert. Nicht weil die es unbedingt besser können, sondern um die Verantwortlichkeit abzugeben. Denn was kann die CIA dafür, wenn Menschen durch Mitarbeiter eines Subunternehmens misshandelt werden?

Dahinter steckt Kalkül, und das bedeutet, dass es nicht so einfach werden wird, die Verantwortlichen für das Geschehen auszumachen. Denn diejenigen, die folterten, führten nicht zwangsläufig direkte Befehle aus. Vielmehr nutzten sie einen Freiraum, der ihnen von Vorgesetzten gelassen wurde, indem kein Folterverbot ausgesprochen wurde. Vorgesetzte ordneten die Folter zwar nicht an, aber sie unterbanden sie auch nicht. In diesem System scheint sich eine Art von Unzuständigkeit etabliert zu haben, die völlig inakzeptabel ist.

Natürlich müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Der Feinstein-Report kann nur der erste Schritt auf dem Weg der Aufarbeitung sein, den die USA nun gehen müssen. Wenn sie ihn nicht gehen, verspielen sie den letzten Rest an Glaubwürdigkeit. Immerhin: Barack Obama hat der Veröffentlichung des (gekürzten) Reports zugestimmt. Damit hat er die Zugbahn für den reinigenden Hurrikan freigegeben, der nun kommen muss. Auch hat er die Folter sofort nach seinem Amtsantritt stoppen lassen. Alle Vorwürfe, um die es hier geht, beziehen sich auf Vorfälle während der Amtszeit von George W. Bush.

Die Unkultur des Ich-weiß-von nichts

Natürlich ist der ganzen Welt klar, wer die Verantwortlichen sein dürften: Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Ex-Vizepräsident Richard Cheney, zwei der hartleibigsten Neokonservativen, die die Welt je gesehen hat. Cheney galt schon zu Zeiten der Präsidentschaft von George W. Bush als der eigentliche Kopf jener Regierung. Doch wenn diese Leute auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden sollen, müssen gerichtsfeste Beweise dafür gefunden werden, dass sie Folter angeordnet haben. Um eben solche Beweise zu vermeiden, hat die CIA schon seit den Fünfzigerjahren ein Konzept namens „plausible deniability“, zu Deutsch: glaubhafte Abstreitbarkeit. Befehlsketten werden bewusst locker gestrickt, Kontaktpersonen werden in geheimen Neben-Ausschüssen positioniert, Meetings erfolgen konspirativ. So kann theoretisch auch Präsident Bush selbst informiert gewesen sein — und trotzdem ist es ihm möglich, dies abzustreiten, da ihm nichts nachgewiesen werden kann. Mit dem Feinstein-Report kommt nun aber neuer Wind in den lange schwelenden Skandal, denn damit sind die Foltervorwürfe gerichtsfest gemacht. Sie abzustreiten, ist nicht mehr möglich. Irgendjemand ist verantwortlich. Und dieser Jemand kann nur ganz oben angesiedelt gewesen sein. Anders ausgedrückt: Es wird enger für Rumsfeld, Cheney und Co, denn nun wird ihnen niemand mehr abnehmen, dass sie nichts gewusst haben. Der Fisch stinkt immer vom Kopf.

Mehr zum Thema: „Black Sites der CIA: Polen reagiert gelassen

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Frühere Ybersinn-Artikel zu diesem Thema:

83-mal Waterboarding / “Existenzielle Sicherheit der USA” / Black Sites — Geheime Gefängnisse der CIA / Was macht eigentlich … Condoleezza Rice heute? / Was macht eigentlich Richard Cheney heute? / Patriot Act: Von nun an ist jeder verdächtig / Was machen George W. Bush und Donald Rumsfeld heute? / Die Bedrohung durch die Theocons / Wieder gelesen: “Ein Imperium verfällt” von Chalmers Johnson /

Meine Quellen für diesen Artikel:

Feinstein-Report, verschiedene Berichte von Neue Zürcher Zeitung, Spiegel Online und Frankfurter Rundschau, Wikipedia.

Ecklogo kleinEcklogo VirenkriegDie US-Politik im „war on terror“ ist auch Thema in meinem Polit-Thriller “Virenkrieg:

“Wir haben Ihre kleine Schwester. Wir werden ihr kein Leid zufügen, aber dafür erwarten wir etwas von Ihnen. Sie fliegen nach Ägypten, ins Fayyum, und zwar sofort. Denken Sie daran, wir brauchen nur eine einzige Kugel, um Ihrer Schwester ein Loch in den Kopf zu pusten, und Kugeln haben wir wirklich genug.”

Wir schreiben das Jahr 2024. Al-Qaida ist besiegt. In einem jahrzehntelangen Krieg gegen den Terror haben die USA den Todfeind niedergerungen — doch um welchen Preis! Das gesellschaftliche Klima im Land ist durch Hass und Misstrauen verdorben. Alles wurde dem einen großen Kriegsziel untergeordnet, Al-Qaida zu besiegen. Das “land of the free” ist zu einem Überwachungsstaat geworden. Nun braucht die Militärmaschinerie einen neuen Feind. Die neugegründete “Islamische Allianz” kommt da gerade zur richtigen Zeit.

Der deutsche Mikrobiologie und Genetiker Jan Metzner wird in diesen Konflikt hineingezogen, als seine Schwester Meike von Terroristen der Gama’a al Islamiyya entführt wird. Jan erhält den Befehl, nach Ägypten zu fliegen. So gerät er mitten hinein in den Virenkrieg, der fast unbemerkt von der Öffentlichkeit mit biologischen Waffen geführt wird. Die Situation eskaliert, als das Luxus-Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 von Terroristen entführt wird. Doch diese “Terroristen” sind etwas anders als erwartet …

Dies ist der Auftakt zu dem großen Roman-Epos “Virenkrieg” von Thriller-Autor Lutz Büge. Es geht um biologische Waffen, Geheimorganisationen und einsame Entscheidungen, die die Menschheit an den Rand ihrer Auslöschung führen. Mehr Information zum Roman gibt es HIER.

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 Von Lutz Büge, Autor dieses Artikels, sind bisher diese E-Books erschienen:

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