Ein Funken Unsicherheit fürs Altpapier

Jetzt wird aufgeräumt!
Was sich über Jahrzehnte in unseren Regalen und Schubladen,
in Kellern und Abseiten angesammelt hat, soll endlich weg.
Doch mit vielem verbinden sich Erinnerungen.
Die wollen wir natürlich nicht wegwerfen.
Die Bilderserie Aufräumen dokumentiert diese Erinnerungen
als Geschichten mitten aus dem Leben.

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Ein Funken Unsicherheit fürs Altpapier

von Thomas Vögele

Als wir neulich einen Spaziergang durch Offenbach gemacht haben, fiel mal wieder der Satz: „Ach guck mal, in der Straße haben wir doch auch ein Haus besichtigt.“ Ob wir das Besichtigte richtig identifiziert haben, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, dass wir im Verlauf von drei Jahrzehnten viele Objekte angeschaut haben, sowohl in Freiburg als auch im Rhein-Main-Gebiet. Bis wir in Offenbach gelandet sind, was ich mir lange nicht vorstellen konnte.

Als wir 2001 nach Frankfurt kamen, wohnten wir zur Miete und hatten eine Eigentumswohnung in Freiburg, in die wir – so meine Gedanken – zurückkehren würden, wenn ich in Rente bin. Schon fünf Jahre später verflüchtigte sich die Idee. Das hing auch damit zusammen, dass wir mit der Vermietung in Freiburg viel Pech hatten. Aber das ist eine Geschichte, die ich später erzählen will. 2006 haben wir die Wohnung in Freiburg verkauft, um uns eine in Frankfurt zu suchen. Der Verkaufserlös war okay, die Zinsen waren günstig, die Preise in Frankfurt noch nicht explodiert. Nur das, was im Angebot war, passte nicht für ein Männerpaar: Großzügige Wohn-Essbereiche, passable Schlafzimmergrößen, Hasenställe für Kinder …

Schließlich wurde wir doch fündig – im Frankfurter Bogen, damals ein Neubaugebiet mit Busanschluss (alle halbe Stunde) und der Aussicht, dass irgendwann eine Straßenbahnlinie gebaut werde. Der Zuschnitt der Wohnung, der große Balkon, der Stadtrand – alles gefiel uns. Wir wollten. Wir hatten sogar schon einen Notartermin. Zwei Tage zuvor machte ich den ÖPNV-Test – es herrscht ja auch mal Wetter, dass es nicht mit dem Rad geht. Ich brauchte für einen Weg zur Arbeit 45 Minuten, und dabei klappten sogar die Umsteige-Anschlüsse. Mir wurde mit zunehmender Fahrtdauer unwohler.  Die beste Freundin der Familie, auch bei der Fahrt dabei, merkte ganz pragmatisch an: Wenn nur ein Funken Unsicherheit besteht, sollte man ein solch kostspieliges Projekt lassen. Wir ließen es.  Zum Glück. Vier Jahre später haben wir unser Haus in OF gefunden.

Ich hab noch immer den Ordner mit den Objekten von damals – den Inhalt kann ich getrost der Altpapiertonne überlassen.

Thomas Vögele, geboren 1953 in Karlsruhe. Nach seinem Volontariat arbeitete er bis 1997 als Redakteur für die Badische Zeitung (Ressort Sport), anschließend bis 2001 für die Zeitung zum Sonntag und danach bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2018 für die Frankfurter Rundschau, dort zuletzt als Ressortleiter Sport. 2015 gründete er den Ybersinn-Verlag, in dem die Romane von Lutz Büge (siehe unten) erscheinen. Mit ihm ist er verheiratet. Der leidenschaftliche Radfahrer und Literaturfreund lebt in Offenbach.

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Über „Aufräumen“

 

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