Heimtückisch wie sonst nichts: Ebola

Ecklogo VirenkriegZurzeit grassiert das Ebolafieber in Westafrika. Es hat schon mehr als 700 Tote gefordert bei rund 1300 Infizierten, das heißt: Mehr als die Hälfte aller Infizierten sind gestorben. Eine enorme „Erfolgsrate“ für das Virus. Die Epidemie sei außer Kontrolle, heißt es. Auf dem Ybersinn habe ich mich schon verschiedentlich mit dem Virus beschäftigt, das auch in meinem Roman „Virenkrieg“ eine gewisse Rolle spielt. Die neue Entwicklung ist tatsächlich bedenklich.

Mehr über den Roman
„Virenkrieg – Erstes Buch“
im Anschluss an diesen Artikel.

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Heimtückisch wie sonst nichts: Ebola

Die Evolution steht nicht still, nirgendwo auf diesem Planeten. In seinen kälteren Regionen geht sie langsamer ans Werk, in seinen heißeren ist sie schneller zugange. Ein Beispiel dafür, was die Evolution in ihren riesigen Biolaboren, auch Regenwälder genannt, ausbrütet und entwickelt, ist das Ebola-Virus, das derzeit in Westafrika um sich greift. Mit einer kaum vorstellbaren Heimtücke kann sich dieses Virus — anders als die meisten Viren — in so gut wie jeder Körperzelle einnisten und sich dort explosiv vermehren; es ist also nicht auf ein bestimmtes Körpergewebe spezialisiert. Ein Nebeneffekt: Ebola hemmt die Blutgerinnung der Infizierten. Sie werden gewissermaßen zu Blutern. Schwere innere Blutungen bei hohem Fieber sind das typische Kennzeichen dieser Infektion, die wie eine Grippe beginnt und überdurchschnittlich häufig mit dem Tod endet.

Die Epidemie begann im westafrikanischen Guinea und breitete sich rasch auf Liberia und Sierra Leone aus. (Die Karte rechts dokumentiert die Ausbreitung am 30. Juni 2014.) Diese großflächige Verbreitung verwundert auf den ersten Blick, denn das Virus folgt eigentlich einer Strategie, die man beim besten Willen nicht als effizient bezeichnen kann, auch wenn es viele Opfer fordert.

Qualvoll gestorben

Bevor ich diesen Gedanken vertiefe, der ein rein biologisch-medizinischer ist, möchte ich an die Toten erinnern. Ebola hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt 720 Menschen umgebracht. Diese Menschen sind qualvoll gestorben. Sie sollten anderen Menschen in den betroffenen Ländern eine Mahnung sein: Das Virus hätte sich nicht derart ausbreiten können, wenn gewisse gelebte Traditionen es nicht dabei unterstützt hätten. Die Bereitschaft der Menschen, Traditionen zu überdenken, ist jedoch gering, nicht nur in Westafrika. Welchen Sinn hat es beispielsweise, die Leichen von an Ebola Verstorbenen als letzten Gruß zu umarmen, wenn man doch weiß, dass gerade Leichen wahre Virenschleudern sind? Warum essen die Menschen dort Affen, obwohl deren Körperflüssigkeiten im Verdacht stehen, das Virus zu übertragen? Weil das in diesen Ländern eben so üblich ist. Und damit sind wir beim Kern des Problems: Von zentraler Bedeutung für die Ausbreitung des Virus‘ ist die Unwissenheit der Menschen. Viele wissen ganz einfach nicht, was eine Virus-Infektion ist und wie man sich vor ihr schützen kann, sondern halten die Ebola-Infektion für ein Anzeichen von Verfluchtheit oder Besessenheit. Die 720 Toten hätten nicht unbedingt sein müssen.

Man kann sich Ebola nur mit einer sogenannten „Schmierinfektion“ holen, d.h. es ist Körperkontakt zu einem Infizierten nötig. Über die Luft ist es nicht übertragbar. Alle Körpersekrete eines infizierten Menschen sind jedoch hoch ansteckend. Eine ähnliche Strategie nutzt in unseren Breiten der Syphillis-Erreger (der allerdings kein Virus und längst nicht so tödlich ist wie Ebola; gegen Syphillis helfen Antibiotika, während gegen Ebola bisher keine Medikamente existieren). Das bedeutet, dass man Ebola relativ leicht entgegentreten könnte, wenn man vor allem eines täte: die Bevölkerung in den betroffenen Ländern informieren. Was inzwischen auch immer besser funktioniert. Die Menschen müssen etwa darüber aufgeklärt werden, wie eine Ebola-Infektion beginnt: nämlich mit grippeähnlichen Symptomen. Wer solche Symptome aufweist, müsste in einem Gebiet, das als Ebola-gefährdet erkannt worden ist, sofort in Quarantäne gesteckt werden, denn vermutlich kann er/sie von diesem Moment an andere Menschen infizieren. Doch stattdessen werden Infizierte immer noch vielfach ohne die geringsten Schutzmaßnahmen in den Familien gepflegt. Am Ende ist dann die ganze Familie ausgelöscht.

Gerade das Ritual, Verstorbene noch einmal zu umarmen, dürfte der Grund dafür sein, dass Ebola bei früheren Ausbrüchen ganze Dorfgemeinschaften ausgerottet hat. Aber es mangelt in diesen armen Ländern auch überall an grundlegender Hygiene. Könnten die Menschen sich nur halbwegs regelmäßig die Hände waschen, wäre im Kampf gegen die Seuche schon einiges gewonnen.

Ebola ist nicht gleich Ebola

Ebola wurde erst vor etwa vierzig Jahren entdeckt. Bisher tauchte der Erreger immer nur regional begrenzt auf; die jetzige Epidemie in mehreren Ländern gleichzeitig ist eine Premiere. Das Virus ist mittlerweile recht gut erforscht, und man kennt fünf Ebola-Spezies und 15 Subtypen. Ebola ist also nicht gleich Ebola. Manche der Virentypen sind aggressiver als andere. Derjenige, der zurzeit im Westen Afrikas grassiert, wird ZEBOV genannt, Zaïre-Ebolavirus (die heutige Demokratische Republik Kongo hieß bis 1997 Zaïre), und ist der gefährlichste der bekannten Ebola-Typen. Bei anderen Ausbrüchen dieses Virus-Typs haben bis zu 90 Prozent der Infizierten nicht überlebt. Zusammen mit dem berüchtigten Marburg-Virus gehört Ebola damit zu den gefährlichsten Viren der Welt.

Eigentlich müsste man formulieren: zu den effizientesten Viren der Welt, da es überdurchschnittlich viele Opfer erzielt, gemessen an der Zahl der Infektionen. Doch auch das stimmt so nicht bzw. ist zu simpel formuliert. Jedenfalls wenn man dieses Ergebnis aus der Perspektive des Virus‘ betrachtet. Denn woran bemisst sich der „Erfolg“ eines Virus‘?  Ist ein Virus dann „erfolgreich“, wenn es möglichst viele Menschen umgebracht hat, oder ist es dann „erfolgreich“, wenn es sich möglichst häufig vermehrt hat? Der Begriff „Erfolg“ klingt an dieser Stelle durchaus zynisch, weil es um Menschenleben geht, aber das ist eine Frage, die sich ein solches Virus nicht stellt. Es tut, was es tut, weil es das tut, und es fragt nicht danach, ob sein Tun richtig, ethisch oder sinnvoll ist.

Normalerweise gelten Organismen dann als besonders erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, ihre Gene möglichst häufig an die Nachfolgegeneration weiterzugeben. Für ein Virus ist der Tod des Infizierten daher eigentlich kontraproduktiv, denn im gestorbenen Wirtskörper kann es sich nicht weiter vermehren. Ein in diesem evolutionären Sinn erfolgreiches Konzept repräsentieren Grippe-Viren. Auch die Grippe ist eine schwere Infektion, aber sie endet bei weitem nicht so oft tödlich wie Ebola, so dass der infizierte Wirtskörper massenhaft neue Viren an seine Umgebung abgeben kann. Den Grippe-Viren, auch Influenza-Viren genannt, gilt daher die meiste Aufmerksamkeit der Epidemiologen der ganzen Welt, denn sie haben einen entscheidenden Vorsprung gegenüber Ebola: Sie sind auch durch die Luft übertragbar.

Die Evolution ist am Werk

Niemand weiß, wie lange es Ebola schon gibt, aber die rabiate Wirkung des Virus scheint darauf hinzudeuten, dass es sich um ein relativ neues Virus handelt. Diagnostiziert wurde es erstmals 1976. An jene Tierarten, die ihm als Wirtskörper  dienen — vermutlich handelt es sich um Fledermausarten wie den Nilflughund und den Hammerkopf –, hat das Virus sich offensichtlich angepasst (und diese Tiere sich an ihn), denn es bringt sie nicht um. Es nutzt sie vielmehr, um sich übertragen zu lassen. Der Mensch als Wirtskörper hingegen scheint für Ebola noch neu zu sein; sonst würde Ebola nicht so viele Opfer fordern.

Wenn wir einen Schritt zurücktreten von den aktuellen Horrormeldungen in Zeitungen und Fernsehen und wenn wir versuchen, das Geschehen mit Distanz zu betrachten, was angesichts des Leidens der Opfer nicht einfach ist, dann können wir an Ebola eine bemerkenswerte Entdeckung machen: Hier ist die Evolution am Werk. Wir erleben, wie das Virus sich entwickelt. Die Variante, die in Westafrika zurzeit um sich greift, wurde zwar zunächst als ZEBOV diagnostiziert, aber angesichts der deutlich niedrigeren Opferzahlen („nur“ gut 50 Prozent der Infizierten sterben, nicht 90 Prozent wie bei früheren Ausbrüchen) würde es mich nicht wundern, wenn die Wissenschaftler den hier grassierenden Virustyp irgendwann als neue Variante einstufen. Als eine Variante nämlich, die bereits deutlich besser an Menschen angepasst ist als frühere, noch viel rabiatere Varianten. Was nebenbei auch eine weitere Erklärung dafür liefern könnte, dass diese Variante sich über drei Länder hinweg ausbreiten konnte: Diese Fähigkeit gewinnt das Virus dadurch, dass es weniger mörderisch ist — oder geworden zu sein scheint.

Ebola-Pandemie?

Natürlich kann Ebola auch zu uns nach Europa gelangen. Am Beispiel von SARS habe ich schon gezeigt, wie solche Viren quasi auf den globalisierten Verkehrsströmen reiten können, um sich auszubreiten. Das ist die größte Furcht all jener, die sich mit der Gefahr einer globalen Epidemie, einer Pandemie, befassen. Allerdings sind wir mit den jetzt von Ebola betroffenen afrikanischen Ländern bisher nicht annähernd so vernetzt wie mit Hongkong und China, woher SARS stammte, so dass die Ausbreitung des Virus sich leichter eingrenzen lässt. SARS konnte sich durch die Luft verbreiten und war daher, was sein Potenzial als Pandemie-Auslöser betrifft, deutlich gefährlicher als Ebola.

Knapp vierzig Jahre Ebola — und die Evolution arbeitet weiter. Unermüdlich erschafft sie in ihren Bio-Laboren, vor allem in den Regenwäldern, neue Arten von Mikroorganismen. Wir bekommen davon kaum etwas mit, denn die Regenwälder liegen nicht gerade vor unserer Haustür. Dieser Entwicklungsprozess verläuft immer schneller, je kleiner die Organismen sind, in denen er sich vollzieht. Am schnellsten verläuft er natürlich auf mikroskopischer Ebene, bei den Einzellern, im Reich der Bakterien und der noch kleineren Viren. Irgendwann, so fürchten Virusforscher, könnte aus einem dieser natürlichen Labore ein Virus entweichen, dem die Menschheit nichts entgegenzusetzen hat. So fürchterlich Ebola auch ist — vermutlich gibt es schon heute Viren in diesen Biotopen, die noch viel schlimmer sind, mit denen wir bisher lediglich noch keinen Kontakt hatten. Und wenn nicht: Die Evolution arbeitet daran.

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Update 5. August um 1 Uhr: Es gibt eine neue Nachrichtenlage. Erstens: Inzwischen wird von 887 Toten bei mehr als 1600 Infizierten berichtet. Es ist damit zu rechnen, dass diese Zahlen weiter steigen werden. An dem bisher beobachteten Verhältnis von etwas mehr als 50 Prozent Todesfällen auf die Gesamtzahl der Infizierten hat sich durch die neuen Zahlen nichts geändert. Zweitens: Das Virus hat auf Nigeria übergegriffen. Wie einst das SARS-Virus hat es den Flugverkehr genutzt, um „auszuwandern“. Bisher befinden sich in Nigeria acht Menschen in Quarantäne. Besorgniserregend ist vor allem der Umstand, dass ein Teil der Infektionen offenbar in Lagos passierte, einer Stadt mit zehn Millionen Einwohnern. Drittens: Sierra Leone und Liberia haben inzwischen den nationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Schulen und Märkte wurden geschlossen, Fußballspiele abgesagt, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Das Ebola-Virus hat sich innerhalb weniger Tage rasant ausgebreitet. (Quelle: tagesschau.de)Ecklogo klein

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Ecklogo VirenkriegMein Roman “Virenkrieg – Erstes Buch” spielt in naher Zukunft und greift diese Themen unserer Gegenwart auf.

“Wir haben Ihre kleine Schwester. Wir werden ihr kein Leid zufügen, aber dafür erwarten wir etwas von Ihnen. Sie fliegen nach Ägypten, ins Fayyum, und zwar sofort. Denken Sie daran, wir brauchen nur eine einzige Kugel, um Ihrer Schwester ein Loch in den Kopf zu pusten, und Kugeln haben wir wirklich genug.”

Wir schreiben das Jahr 2024. Al-Qaida ist besiegt. In einem jahrzehntelangen Krieg gegen den Terror haben die USA den Todfeind niedergerungen — doch um welchen Preis! Das gesellschaftliche Klima im Land ist durch Hass und Misstrauen verdorben. Alles wurde dem einen großen Kriegsziel untergeordnet, al-Qaida zu besiegen. Das “land of the free” ist zu einem Überwachungsstaat geworden. Nun braucht die Militärmaschinerie einen neuen Feind. Die neugegründete “Islamische Allianz” kommt da gerade zur richtigen Zeit.

Der deutsche Mikrobiologie und Genetiker Jan Metzner wird in diesen Konflikt hineingezogen, als seine Schwester Meike von Terroristen der Gama’a al Islamiyya entführt wird. Jan erhält den Befehl, nach Ägypten zu fliegen. So gerät er mitten hinein in den Virenkrieg, der fast unbemerkt von der Öffentlichkeit mit biologischen Waffen geführt wird. Die Situation eskaliert, als das Luxus-Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 von Terroristen entführt wird. Doch diese “Terroristen” sind etwas anders als erwartet …

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