Der Rolls Royce unter den Super-8-Kameras

Jetzt wird aufgeräumt!
Was sich über Jahrzehnte in unseren Regalen und Schubladen,
in Kellern und Abseiten angesammelt hat, soll endlich weg.
Doch mit vielem verbinden sich Erinnerungen.
Die wollen wir natürlich nicht wegwerfen.
Die Bilderserie Aufräumen dokumentiert diese Erinnerungen
als Geschichten mitten aus dem Leben.

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Der Rolls Royce unter den Super-8-Kameras

von Thomas Vögele

Als junger Mensch war mein Traumberuf Filmemacher. Also nicht nur Regie führen, sondern auch das Drehbuch schreiben, die Geschichte von der ersten Idee bis zum Ergebnis auf der Leinwand selbst entwickeln und verwirklichen. Erste Versuche machte ich 1970 mit einer Super-8-Kamera von Quelle für ungefähr 180 Mark – dafür habe ich in den Weihnachtsferien in einem Installationsunternehmen bei der Inventur eine Woche lang Schrauben, Muttern, Unterlagscheiben, Muffen und Rohre  gezählt. Für drei Mark die Stunde.  Einen Projektor brauchte ich selbstverständlich auch noch, ebenso wie Filmleuchten und eine Schneide-Einheit, als nicht mehr nur Familie und Verwandtschaft abgefilmt wurden. Ich hatte zahlreiche Ferienjobs.

Mit den Projekten in meinem Kopf konnte die Quelle-Kamera nicht lange mithalten; sie hatte nicht mal ein Schraubgewinde, um sie auf einem Stativ zu befestigen – also die nächste Anschaffung. Eine Bauer-Kamera mit Sechsfach-Zoom und ein Stativ. Die Kamera erwies sich als praktisch, weil sei klein und handlich war. Aber auch mit ihr stieß ich an die Grenzen dessen, was ich bildlich umsetzen wollte. Es brauchte zwei Ferienjobs, darunter auch einen mit besser bezahlten Nachtschichten, um mir den Rolls Royce unter den Super-8-Kameras zu leisten: eine Beaulieu. Die Franzosen bauten ein Wunderwerk, mit dem man Dinge umsetzen konnte, die mit keiner anderen Super-8-Kamera möglich waren: Bildgeschwindigkeiten von zwei bis 70 Bildern pro Sekunde, ein Elffach-Zoom – und sie hatte eine Friktionsbremse, mit deren Hilfe man Doppelbelichtungen machen konnte.

Das klingt heute wie aus einer anderen Welt. Erste Videokameras in den 80er Jahren leiteten das Ende einer Ära ein. Super-8 wird noch von manchen Künstlern verwendet oder von Enthusiasten.  Kameras gibt es gebraucht in Online-Läden, man kann tatsächlich auch noch Super-8-Kasseten kaufen, 50 Meter, was 3:20 Minuten entspricht, für rund 45 Euro. Es gibt auch noch Firmen, die die Filme entwickeln, eine in Berlin, eine in den Niederlanden.

Aus meinem Traumberuf wurde nichts, aber Sportredakteur bei bedeutenden Zeitungen war auch nicht schlecht.  Die Kamera möchte ich gerne einem Museum überlassen.

Thomas Vögele, geboren 1953 in Karlsruhe. Nach seinem Volontariat arbeitete er bis 1997 als Redakteur für die Badische Zeitung (Ressort Sport), anschließend bis 2001 für die Zeitung zum Sonntag und danach bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2018 für die Frankfurter Rundschau, dort zuletzt als Ressortleiter Sport. 2015 gründete er den Ybersinn-Verlag, in dem die Romane von Lutz Büge (siehe unten) erscheinen. Mit ihm ist er verheiratet. Der leidenschaftliche Radfahrer und Literaturfreund lebt in Offenbach.

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